Stell dir vor, du sitzt in einer Achterbahn. Ein Modell von der richtig schnellen Sorte – von 0 auf 100 km/h in drei Sekunden. Mit einem großen Looping und vielen kleinen, engen Schrauben-Manövern. Nun sitzt du dort und wartest, dass die Fahrt beginnt. Du bist aufgeregt, hältst dich mit schweißnassen Händen am Sicherheitsbügel fest und fieberst dem Adrenalinschub entgegen. 3 – 2 – 1 – Die Fahrt beginnt! Der Wagon schießt los und dreht sich durch die erste Schraube hindurch. Anstatt langsamer zu werden, nimmt die Geschwindigkeit rasant zu und du siehst den riesengroßen Looping auf dich zukommen. Der Wagon schießt den Looping hinauf, du reißt die Arme hoch und kreischst vor Vergnügen. Du fühlst dich losgelöst vom Sitz, von der Erde und von allen Sorgen. Jauchzend rast du kopfüber die Achterbahn entlang und siehst nur noch den blauen Himmel über dir. Der Wagon flitzt den Looping herab und durch zwei weitere Schrauben, bis er schließlich geschmeidig abgebremst wird und die Fahrt so schnell vorbei ist, wie sie begonnen hat. Ein wunderbares Gefühl, oder? Vor der Fahrt warst du ängstlich, angespannt und verunsichert, doch jetzt fühlst du dich leicht, voller Energie und einfach nur happy.
So stelle ich mir das Gefühl von vairāgya – Nicht-Anhaften, Losgelöstheit oder Wunschlosigkeit vor. Loslassen, freigeben, vertrauen – das sind Tugenden für mich, die ich an anderen Menschen sehr bewundere. Mir fällt es sehr schwer, Situationen, Dinge oder Menschen loszulassen und nicht beharrlich festzuhalten. Wenn ich merke, dass mir etwas entgleitet, ist mein erster Impuls immer: Klammern und nichts aus der Hand geben. Das ärgert mich sehr.
Deshalb möchte ich die Ursache der Anhaftung ergründen. Warum ist es so schwer, mit Leichtigkeit durchs Leben zu gehen, obwohl es doch so einfach sein sollte?
Zuerst führt uns der Weg zur Kontrolle. Wenn ich nicht loslassen kann, dann möchte ich kontrollieren – Situationen, Menschen und mein Leben. Dieser Kontrollzwang wiederum resultiert aus abstrakter Angst, eingeübter Unsicherheit und fehlendem (Selbst-) Vertrauen.
Angst und Unsicherheit entsteht im Verstand. Sie sind nichts, was wir anfassen können, was wir schnell verändern können oder ignorieren dürfen. Wenn ich zum Beispiel an einer bestimmten Person anhafte und sie nicht weiterziehen lassen kann, habe ich Angst, die Kontrolle über die Person oder über unsere Beziehung zu verlieren. Meistens ist das aber eine Person, die sich inzwischen sowieso schon von mir abgewendet hat. Warum habe ich dann noch Angst? Das Wohlwollen oder die Intimität ist sowieso schon lange nicht mehr vorhanden. Eine neue Türe hat sich geöffnet. Jedoch bin ich gehemmt, sie zu durchqueren.
Ähnliches stellte ich fest, als ich meine Rolle in einer Gruppenarbeit nicht abgeben wollte. Ich konnte partout nicht die Verantwortung anderen Gruppenmitglieder überlassen und wollte alles selbst regeln. Welche Angst steckt dahinter? Zum einen ein Kontrollzwang, zum anderen die Furcht, dass jemand anderes etwas falsch machen könnte? Oder es gar besser macht als ich? Das ist natürlich aus yogischer Sicht vollkommener Schwachsinn, da Konkurrenzdenken nur Leid verursacht und die Negativität stärkt.
Was gibt es nun für Möglichkeiten, um vairāgya im Alltag umzusetzen und das Loslassen aktiv zu üben? Anhand der nachfolgenden Zitate möchte ich dich durch den Prozess des Loslassens führen.
-
Nichts ist entspannender, als das anzunehmen, was kommt. – Dalai Lama
Sei offen für neue Herausforderungen im Leben und lehne sie nicht sofort ab. Nehme sie an, beobachte sie von allen Seiten ganz genau und entscheide, ob sie dir auf deinem Lebensweg dienlich sein können oder nicht. Bedenke jedoch, dass diese Lerngeschenke auf den ersten Blick nicht immer dienlich erscheinen, aber trotzdem ein großes Potential für dein spirituelles Wachstum bereithalten können.
-
Die Angst vor dem Loslassen beinhaltet die Angst vor dem freien Fall. – Esther Klepgen
Behalte immer im Hinterkopf, dass es viel Mut erfordert, komplett losgelöst zu sein. Du weißt nicht was passiert, wenn du die Kontrolle abgibst. Sei jedoch mutig und voller Vertrauen auf das Neue, das kommen wird. Ein Tipp: Arbeite mit positiven Affirmationen, wenn du zu zweifeln beginnst und wandle negative Gedanken in positive um.
-
Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muss sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren. – Albert Einstein
Blicke vertrauensvoll in die Zukunft. Öffne dich für neue Chancen, nimm den prickelnden Geschmack des Neuen wahr und empfange die grenzenlose Freiheit, die dir mit völliger Losgelöstheit geschenkt wird.
-
Let go and let god
Vertrauen dich einer höheren Macht an. Einem Gott, deinen Engeln oder an was du glaubst. Mit Hilfe des Glaubens fallen uns viele Herausforderungen im Leben leichter. Auch das Loslassen!
Und falls du einmal einen Turbostart für das Loslassen brauchst, empfehle ich dir einen Tagesausflug zum Freizeitpark mit Loopingachterbahn =).
Om Shanti Shanti Shanti deine Jyothi.